In dem Moment als Mucki starb, war es, als ob jemand STOPP-Taste meines Lebens drücken würde. Es war ein so surreales Gefühl, fast wie in einem Zeichentrickfilm, wenn jemand von der Leiter fällt und dabei plötzlich in der Luft stehenbleibt. Bild eingefroren. Gedanken eingefroren. Gefühle eingefroren – und ja, auch mein Körper. Da war ich nun im schlimmsten Augenblick meines Lebens und konnte gefühlt weder vor noch zurück. Auch wenn ich es nicht sicher weiß, bin ich mir ziemlich sicher, dass ich auch den Atem angehalten habe. Es dauert eine Zeit bis ich aus dieser Schockstarre wieder zu mir kam. Ich vermute, du kennst das. Wenn dein Liebling stirbt, fühlt sich plötzlich alles anders an, nicht nur im Herzen, sondern auch im Körper. Vielleicht merkst du, dass du wie gelähmt bist. Dass du dich nicht aufraffen kannst. Oder dass dein Körper ständig unter Strom steht, obwohl du eigentlich nur Ruhe willst. All das ist normal. Trauer wirkt sich nicht nur auf deine Gedanken und Gefühle aus. Sie wohnt auch in deinem Körper. Darum ist Bewegung in der Trauer um dein geliebtes Tier so hilfreich, um dein gebrochenes Herz zu heilen.
Bewegung ist natürlich kein Allheilmittel, aber sie ist ein wichtiger und liebevoller Wegbegleiter in deiner Trauer.
In meinem Buch „Weil jede Trauer Liebe ist“ gehe ich auch ausführlich auf die Verbindung zwischen Körper und Trauer ein. Denn unser Körper trägt nicht nur das in sich, was weh tut, sondern auch die Erinnerung, die Liebe und die tiefe Verbundenheit. Und er kann uns dabei helfen, mit all dem einen Ausdruck zu finden.
Es geht hier nicht um Fitness oder ums Durchhalten, um etwas zu erreichen oder zu schaffen. Es geht darum, dich auf sanfte Weise wieder zu spüren und deinem Schmerz ein bisschen Raum zu geben, damit auch er sich bewegen darf.
Bewegung bringt nicht nur Muskeln in Gang. Sie bringt auch Gedanken, Gefühle und Erinnerungen in Fluss.
Aber warum hilft Bewegung in der Trauer um dein geliebtes Tier so sehr?
Ich erzähle dir wahrscheinlich nichts Neues, wenn ich schreibe, dass Körper und Psyche eng miteinander verbunden sind. Wenn wir um unser geliebtes Tier trauern, sind wir nicht nur traurig. Wir sind oft auch erschöpft, angespannt oder innerlich wie erstarrt. Der Körper versucht auf deine eigene Weise mit dem Verlust umzugehen.
Der Psychotherapeut Klaus Onnasch schreibt dazu in seinem Buch „Trauern mit Leib und Seele“ sinngemäß:
„Trauer aktiviert das Stresssystem. Herzschlag und Atmung beschleunigen sich, der Körper schüttet Cortisol aus. […] Bewegung kann diesen Zustand auflösen, indem sie das Nervensystem beruhigt und den Parasympathikus aktiviert – den Teil, der für Entspannung und Regeneration zuständig ist.“
Wenn dich das Thema näher interessiert, kann ich dir sein Buch wirklich sehr empfehlen. Du findest es auch in der Literaturliste meines Buches. Leider gibt es das nur mehr gebraucht.
Bewegung ist also keine Flucht. Sie kann im Gegenteil helfen, dir in deiner Trauer ganz nah zu kommen. Sie darf klein sein, sanft und langsam und kann dich aber auch dabei unterstützen, Wut, Verzweiflung und Schmerz abzubauen. Wenn du lernst, in deinen Körper zu spüren und auf ihn zu hören, merkst du genau, was er – und damit auch deine Trauer – gerade brauchen.
Ich habe von Beginn an mein Körper-Geist-Seele-System oft genutzt, um mich meiner Trauer um Mucki in all ihren Facetten zu stellen. Manchmal wollte es eine liebevolle Yoga-Praxis von mir, ein anderes Mal zog es mich förmlich ins Fitnessstudio, um mich auszupowern. Das Wichtigste ist: folge dem Impuls und versuche nicht, gegen ihn zu handeln. Es macht keinen Sinn, Yin Yoga zu praktizieren, wenn der Körper nach „Kraft“ verlangt.
Wenn dein Körper der erste ist, der trauert
Noch bevor du Worte für deinen Verlust findest, spürt dein Körper, dass sich etwas Grundlegendes verändert hat. Vielleicht ist da eine Enge, eine Leere, ein Druck. Vielleicht auch Zittern oder eine bleierne Müdigkeit – oder ganz etwas anderes. Auch hier gilt: Trauer äußert sich individuell, doch was all eint:
Trauer wohnt nicht nur im Herzen, sie lebt auch im Körper.
Umso wichtiger ist es, deinen Körper als Teil deiner inneren Welt wahrzunehmen und ihm zuzuhören. Und ihm durch Bewegung die Möglichkeit zu geben, das auszudrücken, wofür es vielleicht (noch) keine Worte gibt. Wenn du dich bewegst, dann löst sich oft auch innerlich etwas. Vielleicht ganz leise, oft fast unmerklich – aber mit der Zeit macht das einen großen, heilsamen Unterschied.
Was oft übersehen wird: Unser Körper ist nicht nur Spiegel unserer Gefühle, er kann sie auch formen und beeinflussen. Wenn du zum Beispiel lächelst, obwohl dir gerade nicht danach ist, passiert etwas im Inneren. Dein Gehirn bekommt über die Muskulatur ein anderes Signal und reagiert darauf. Umgekehrt ist es fast unmöglich, aufrecht zu stehen, die Arme in den Himmel zu strecken, tief zu atmen und dabei zu sagen: „Ich bin traurig und kraftlos.“ Unser Körper und unsere Gefühle wollen übereinstimmen. Sie widersprechen sich nicht gern. Das zu erkennen und es sich zunutze zu machen, kann sehr hilfreich sein.
Dieses Zusammenspiel von Körper, Gefühl, Denken und auch Handeln ist in jedem Menschen angelegt. Es bedeutet: Wenn du deinen Körper veränderst, veränderst du auch ein kleines Stück deine innere Welt. Nicht sofort nachhaltig, aber für den Moment.
Wichtig! Es ist hier sicher nicht als Trick, um Traurigkeit „wegzumachen“ gemeint, aber als liebevolle Einladung an dich selbst: zu spüren, was sich zeigt. Und es ganz behutsam in Bewegung zu bringen.
Der Körper darf zeigen, was Worte nicht fassen können. Und er darf auch der Weg sein, auf dem sich etwas in dir wieder neu sortiert.
Fünf Bewegungsimpulse, die Körper und Seele in deiner Trauer um dein Tier gut tun können
Spazierengehen: Schritt für Schritt zurück zu dir
Wenn du magst, geh raus. Und ja, ab und an auch, wenn du nicht magst – der Innere Schweinehund darf gerne mal Pause machen. Ein paar Minuten nur. Vielleicht den Weg, den ihr oft zusammen gegangen seid oder bewusst einen ganz anderen – irgendwohin, wo du frei atmen kannst. Spazierengehen bringt deinen Körper in einen natürlichen Rhythmus und das kann helfen, dich wieder ein bisschen zu spüren. Manchmal fließen beim Gehen auch die Tränen leichter. Lass sie zu, sie gehören zu dir und deiner Trauer – ganz gleich, was andere sagen. Denn mal ehrlich: du hast gerade dein Liebstes verloren, welche Rolle spielt es da, ob dich irgendjemand schräg anschaut, oder?
Bewegung zu Musik: Deinem Inneren Ausdruck geben
Du brauchst kein Tanzprofi zu sein. Such dir ein Lied, das dich berührt und bewege dich so, wie es sich für dich richtig anfühlt. Ganz sanft, vielleicht nur wiegend im Stehen oder im Sitzen. Oder kraftvoller, wenn du spürst, dass da Wut oder Unruhe rauswill. Alles darf sein.
Sanftes Yoga: Dich wieder mit deinem Körper verbinden
Trauer trennt uns manchmal vom eigenen Körper. Sanftes Yoga, einfache Dehnungen oder achtsames Atmen können helfen, dich wieder zu erden. Du brauchst keine Vorkenntnisse. Es reicht, wenn du auf deine Matte oder einfach auf den Boden kommst und für einen Moment in dich hineinspürst. Vielleicht legst du dabei eine Hand auf dein Herz. Vielleicht denkst du an deinen Liebling. Alles, was auftaucht, darf da sein.
Krafttraining: Stärke spüren, wenn alles wankt
Manchmal ist Trauer wie ein Sturm im Inneren: laut, chaotisch, stark. Und da hilft manchmal genau das: dieser inneren Wucht auch im Außen Raum zu geben. Krafttraining, sei es mit Hanteln (eine Wasserflasche tut es auch) oder dem eigenen Körpergewicht kann dir ein Gefühl von Stabilität zurückgeben. Du spürst deine Muskeln, deinen Atem, deinen Widerstand.
Es zeigt sich immer wieder: Körperliche Aktivität mit muskulärer Anspannung unterstützt nicht nur die Stressverarbeitung, sondern kann auch das Gefühl der Selbstwirksamkeit stärken, also das Vertrauen: Ich kann etwas tun. Ich bin nicht ausgeliefert. Das bedeutet nicht, dass du „stark sein musst“. Im Gegenteil. Du darfst schwach sein, müde, leer. Und genau dann kann ein bewusstes, körperliches Auspowern helfen, wieder ein kleines Stück bei dir selbst anzukommen.
Wichtig ist nur, dass die gewählte Bewegungsart in dem Moment zu dir passt und sich stimmig anfühlt. Im Zweifelsfall einfach ausprobieren, was dich gerade mehr unterstützt.
Besser wenig als gar nichts: Schon winzige Körperrituale machen einen großen Unterschied
Nicht jede Bewegung muss groß sein. Manchmal reicht es, dich morgens zu strecken und dabei an deinen Liebling zu denken – so als würdest du deine Hand seiner Pfote reichen wollen. Oder vor dem Schlafengehen kurz den Rücken zu lockern, um besser schlafen zu können. Solche kleinen Rituale geben Halt – wichtig ist nur, dass du sie dir Gewohnheit machst.
Auch in meinem 8-wöchigen Online Trauerprogramm „Pfotentrauerreise“ arbeiten wir mit Körper, Geist und Seele an deiner Trauer, um dein gebrochenes Herz zu heilen und eine neue Verbindung zu deinem Seelentier zu knüpfen, die stärker ist als der Tod.
Schreibimpuls: In Bewegung den Boden spüren und dir selbst näherkommen
Wenn du jetzt gedacht hast, dass das heute ein Seelenfutter ohne einen Schreibimpuls ist, kann ich dich beruhigen. Embodiment und Schreiben ist überhaupt eine der wirksamsten Kombinationen in der Trauer.
⏰ Nimm dir etwa 15 Minuten Zeit (exkl. Wegzeit)
📝 Leg dir Papier und Stift bereit oder stecke es dir in die Tasche
🦶 Zieh deine Schuhe aus und geh barfuß. Vielleicht auf dem Teppich, auf einem Fliesen- oder Holzboden oder vielleicht draußen im Gras, auf Stein, auf Erde. (Das würde ich dir empfehlen!) Spüre bewusst, wie deine Füße den Boden berühren. Geh langsam, lass dir Zeit und nimm wahr, wie sich das Gewicht verlagert, wie die Haut reagiert, was dein Körper dir zeigt. Komm ganz ins Spüren
✍️ Dann setz dich mit nackten Füßen auf den Boden, stelle sie auf, leg dir den Block auf die Knie und schreibe an diesen drei Satzanfängen für jeweils drei Minuten weiter – stelle dir dazu gerne einen Timer.
„So wie meine Füße den Boden spüren, spüre ich …“
„Mein Körper erinnert sich heute an …“
„Über meine Füße gebe ich an die Erde ab …“
Lass die Worte aus dem Spüren heraus kommen, nicht aus dem Denken. Es gibt kein „Ziel“, es darf einfach fließen.
Bewegung im Außen, ein Lauschen nach innen und eine leise Rückverbindung zu dir selbst – das ist es, das zählt.
Dein Bewegungs-Elfchen
Vielleicht möchtest du aus dem, was du gespürt, bewegt oder geschrieben hast, ein kleines Elfchen verfassen.
Ein Elfchen ist ein kleines Gedicht aus fünf Zeilen und elf Worten – es muss sich nicht reimen, kann es aber.
Eines meiner Bewegungs-Elfchen zu Beginn meiner Trauer lautete:
Waldboden
leise Schritte
wie auf Wolken
mein Körper trägt Trauer
Hoffnung
Alles Liebe 🫶
Claudia
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