„Jetzt schau nicht so traurig! Es ist so ein herrlicher Tag. Wenn die Sonne scheint, ist alles doch gleich viel schöner!“ flötete meine Freundin fünf Wochen nach Muckis Tod fröhlich.
Ich wusste, sie meinte es gut. Sie wollte mich aufmuntern, sie wollte mir zeigen, wie schön das Leben ist. Doch meine Stimmung war eine andere. Mich machte der sonnige Frühlingstag traurig. Ich wollte, dass es regnet. Ich wollte, dass es draußen grau war.
Kennst du das auch?
Die Empfindung von Trauer, wenn die Sonne vom Himmel lacht, ist ein Phänomen, das viele Menschen erleben, die einen schweren Verlust verarbeiten müssen. Du brauchst dir vorerst also keine großen Gedanken machen, ob vielleicht etwas mit dir nicht stimmt.
Solltest du jedoch merken, dass dir aber zum Beispiel über eine längere Zeit nichts im Leben mehr Freude macht, du dir wünschst, dass du deinem Tier nachfolgen kannst oder du es morgens nicht mehr aus dem Bett schaffst, suche dir bitte medizinischen-psychologische Hilfe, um von der völlig normalen Trauer nicht eine Depression zu rutschen.
Ist es dir – so wie mir und vielen anderen auch – aber an manchen sonnigen Tagen besonders schwer ums Herz, können dir folgende Erklärungen für dieses Phänomen vielleicht ein bisschen den Zweifel an dir selbst nehmen.
Außen hell und innen dunkel
Die Schönheit und Helligkeit des Sonnenlichts stehen im starken Kontrast zur Dunkelheit und Schwere des Todes, die auf uns lastet. Dieser Kontrast kann die Traurigkeit verstärken und uns bewusst machen, wie vergänglich das Leben ist.
An einem strahlendem Tag mit blauem Himmel und einer lebendigen Umgebung wird dieser Kontrast zwischen der Schönheit des Tages und der Dunkelheit des Todes besonders deutlich. Die Helligkeit des Sonnenlichts kann die Traurigkeit und das Verständnis für die Vergänglichkeit des Lebens verstärken. Es erinnert uns daran, dass das Leben trotz des Verlustes weitergeht und dass wir den Verlust unseres geliebten Tieres akzeptieren und verarbeiten müssen.
Was dir beim Verarbeiten helfen kann, ist folgende Frage zu beantworten. Am besten gelingt das mit Stift und Papier:
„Wie hätte mein Seelentier gewollt, dass ich weiterlebe und was wünscht es sich für mich und mein Leben?“
Die übliche Stimmungsanpassung funktioniert nicht
Wer kennt es nicht: unsere Laune wird oft vom Wetter beeinflusst. In normalen Zeiten kommen wir bei Sonnenschein leichter aus dem Bett und freuen uns meist ein klein wenig mehr auf den Tag. Die Sonne schenkt uns Energie und Ausgelassenheit. Sonniges Wetter hebt unter normalen Umständen unsere Stimmung und macht uns fröhlicher.
Wenn ein geliebtes Tier stirbt und wir uns in einem emotionalen Tief befinden, kann die Helligkeit der Sonne im Gegensatz zu unserer eigenen Traurigkeit hingegen als besonders schmerzhaft empfunden werden. Der Unterschied zwischen unserer eigenen negativen Stimmung sowie der Schönheit der Umgebung kann frustrierend oder entmutigend sein. Wir können mit der Fröhlichkeit und Leichtigkeit, die der strahlend blaue Himmel uns vermittelt, im Moment nicht umgehen. Das kann dazu führen, dass wir uns noch stärker isoliert und unverstanden fühlen.
„Fürchte nicht die Dunkelheit, dort ruht das Licht sich aus.“
Eric Bromberg
Der Schmerz der Erinnerung
Gerade am Anfang der Trauerreise sind Erinnerungen meist sehr schmerzhaft. Wir sehen oft nur mehr, was wir nicht mehr haben. Für die gemeinsamen Jahre und Erlebnisse dankbar zu sein, braucht seine Zeit. Der Schmerz des Vermissens überlagert zu Beginn viele andere Gefühle. Auch das ist völlig normal. Das Fiese daran ist, dass viele unserer wundervollsten Erinnerungen an den schönen, sonnigen Tagen geschaffen werden. Das liegt unter anderem an der oben beschriebenen Stimmungsanpassung.
Eine meiner schönsten Erinnerungen an meinen Seelenkater Mucki ist, wie wir zusammen die ersten sonnigen Frühlingstage in unserem Garten verbringen: ich mit einem guten Buch und einer köstlichen Tasse Kaffee, er mitten in meinem Tulpenmeer, alle vier Pfoten selig in den Himmel gestreckt und sich die Sonne auf sein entzückendes, wohl genährtes Bäuchlein scheinen lassend.
Nach einiger Zeit kam er zu mir auf die Liege und machte es sich auf meinen Beinen gemütlich. Ich spüre heute noch die die flauschige Wärme und ach, wie gut hat sein von der Sonne gewärmtes Fell gerochen. Ich liebte es, mein Gesicht darin zu vergraben.
Du kannst dir vielleicht vorstellen, wie schwer mein erster Frühling ohne ihn war. Mein Garten war plötzlich leer und seelenlos an diesen sonnigen Tagen. Oft haben mir gerade diese eigentlich wohlig- wonnigen Tage gezeigt, was ich verloren habe. Erst langsam konnte ich dankbar sein für diese wertvollen Stunden mit Mucki. Anfangs war da nur der Schmerz und ich wünschte mir nichts sehnlicher als schlechtes Wetter.
Ich denke, auch du hast viele schöne Erinnerungen an sonnigen Tagen gesammelt.
An Tagen im Garten, im Park, am Meer, im Wald.
An Tagen mit Rumtoben im frisch gemähten Gras, an jenen mit dem ersten Gastgartenkaffee und einem selig in der Sonne schlafenden Hund zu deinen Füßen.
Es ist völlig normal, dass dich diese Erinnerungen – gerade zu Beginn deiner Trauerreise – traurig machen. Sei geduldig mit dir!
Die gute Nachricht ist, dass du selbst etwas beitragen kannst, damit sich die Traurigkeit mit der Zeit in Dankbarkeit wandelt. Die Zauberformel heißt „liebevolles Gedankenmanagement“ und bedeutet, sich bewusst auf das Schöne zu konzentrieren. Vielleicht magst du es ja mal versuchen.
Am besten gelingt dir das wieder mit Papier und Stift.
Schreibe dazu einfach, ohne lange nachzudenken, zehn Sätze, die mit den Worten „Ich bin dankbar für …“ beginnen.
Der soziale Druck: Du solltest, du müsstest, ach komm schon …
An schönen Tagen sind deine Freund*innen oft aktiver und unternehmungslustiger. Dir fehlt nach dem Verlust deines Lieblings aber möglicherweise die Energie oder der Antrieb, um diesen Erwartungen gerecht zu werden.
Es kann daher sein, dass du dich in deiner Trauer durch den sozialen Druck, dich fröhlich zu fühlen, noch schlechter fühlst. Du bist gestresst, fühlst dich unverstanden oder hast Schuldgefühle.
Doch du hast das Recht, hier Grenzen zu setzen und du musst dich zu nichts zwingen. Manchmal kann es dir aber auch guttun, über deinen eigenen Schatten zu springen.
Hör gut in dich hinein. Spüre, wonach dir wirklich ist. Öffne dein Herz und gib´ allem eine Chance, aber zwinge dich zu nichts.
In meiner Facebook-Gruppe „Pfotentrauer“ findest du übrigens immer wieder kleine Impulse zum Umgang mit deiner Trauer und den alltäglichen Herausforderungen.
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