Ich fühlte mich wie eine Mörderin, als ich an jenem Mittwoch im Jänner bei Muckis Tierarzt anrief und den Termin für Freitag fixierte. „Du erlöst ihn und ersparst ihm einen qualvollen Tod“, versuchte mich mein Verstand zu überzeugen. Doch er war in dem Moment chancenlos. Mein Herz erzählte mir eine ganz andere Geschichte. „Du bringst ihn um!“ hämmerte es unaufhörlich.
Seit September 2022 hatten wir um sein Leben gekämpft, durften kleine Siege feiern und mussten größere Rückschläge einstecken. Mein kleiner Löwe war dickköpfig und tapfer wie Zeit seines Lebens. Er gab sich nicht auf. Er wollte leben. 16,5 Jahre waren ihm noch nicht genug. Bis zu eben diesem Mittwoch.
Der Krebs hatte ihn schon so geschwächt, dass er nicht mehr durch die Gegend streunte, sondern die meiste Zeit draußen auf der Stufe zur Terrasse auf einem dicken Kissen saß und seinen Garten überblickte. Nie hatte sich eine fremde Katze auch nur in die Nähe getraut. Er war unerbittlich, wenn es um sein Revier ging, die Kämpfe darum in der Nachbarschaft legendär.
Doch an diesem Mittwoch waren sie plötzlich da. Drei der Nachbarskatzen zogen immer enger werdende Kreise bis eine bis zu Mucki kam. Er nahm all seine Kraft zusammen und pfauchte, aber versuchte nicht einmal zu kämpfen.
Der König hatte sein Reich verloren. Er sah mich mit traurigen Augen an. Sein Blick zerriss mir das Herz.
Ich wusste: in diesem Moment hatte er sich aufgegeben.
Und so war es auch. Sein Zustand verschlechterte sich im Laufe des Tages rapide und ich musste die schwerste Entscheidung meines Lebens treffen.
Und mit dieser Entscheidung kam die Schuld in mein Leben. Sie sollte mich kaum schlafen lassen und immer wieder mit Alpträumen quälen. Meine Emotionen hatten die Herrschaft über mich und meinen Verstand übernommen.
Heute weiß ich meiner Schuld mutig gegenüberzutreten. Sie hat keine Macht mehr über mich. Sie vermag das Schöne, das Mucki und ich hatten, nicht mehr zu zerstören. Ich weiß, dass es ein großes Geschenk der Liebe war, Mucki zu erlösen.
Wenn auch dich Schuldgefühle quälen – aus welchen Gründen auch immer – möchte ich dir folgende Zeilen ans Herz legen.
Schuld verstehen
Es gibt viele Gründe für Schuldgefühle, wie zum Beispiel:
➡️ Die Verletzung von moralischen Grundsätzen
➡️ Die Nichterfüllung von Verpflichtungen oder Erwartungen
➡️ Die Verursachung von Schmerzen oder Leid für andere
➡️ Die Verantwortung für einen Fehler oder eine schlechte Entscheidung
➡️ In manchen Fällen können Schuldgefühle auch von einem übermäßigen Verantwortungsbewusstsein herrühren
Schuldgefühle ohne tatsächliche Schuld
Gerade sehr fürsorgliche Menschen neigen zu ungerechtfertigten Schuldgefühlen. Das sind Schuldgefühle, die auf einer übermäßigen Selbstkritik beruhen und nicht angemessen sind. Manchmal setzen wir uns selbst mit unrealistischen Erwartungen unter Druck und fühlen uns schuldig, wenn wir diese nicht erfüllen. Das gilt vor allem für Dinge, die wir nicht kontrollieren können – wie etwa den Tod.
Man fühlt sich also schuldig, ohne real an etwas Schuld zu haben und ich denke, viele von euch kennen das.
Es ist in Ordnung, sich schuldig zu fühlen. Schuldgefühle gehören zum Trauerprozess. Versuche dir selbst zu erlauben, deine Schuldgefühle zu akzeptieren.
Wenn die Schuld in den Körper einzieht
Es ist erwiesen, dass Emotionen Auswirkungen auf unseren Körper haben und viele Redensarten zeugen davon, wie etwa „Schmetterlinge im Bauch haben“ oder wenn eine „große Last auf den Schultern liegt“. Auch die Schuld zieht in unseren Körper ein und verursacht mitunter viele Beschwerden.
🤕 Körperliche Schmerzen insbesondere in der Brust, im Magen, im Nacken oder im Kopf, Herzklopfen oder Atembeschwerden
🥱 Schlafstörungen, wie zum Beispiel Schlaflosigkeit, Alpträume oder unruhiger Schlaf. Dadurch können körperliche Symptome wie Müdigkeit, Gereiztheit oder Konzentrationsschwierigkeiten auftreten
🍴Appetitlosigkeit oder übermäßiges Essen
😫 Spannungen im Körper, wie zum Beispiel verkrampfte Muskeln, Verspannungen im Nacken und Schultern oder Zähneknirschen
😦 Nervosität und Angst können sich durch Zittern, Schwitzen oder Herzklopfen äußern
Vieles davon konnte ich auf meiner Reise durch die Trauer an mir beobachten und es war sehr belastend.
Doch nach und nach lernte ich, mit meinen Schuldgefühlen umzugehen. Vielleicht helfen meine Tools auch dir.
Schuldgefühle liebevoll auflösen
Es braucht Zeit und Liebe, um sich selbst zu vergeben. Folgende Schritte können dich dabei unterstützen, dich von deinen Schuldgefühlen zu befreien.
Gefühle akzeptieren
Es ist normal, sich schuldig zu fühlen. Doch es hilft, deine Gefühle zu akzeptieren und zu verstehen, warum du dich so fühlst. Versuche, nicht gegen deine Gefühle zu kämpfen oder sie zu verdrängen.
Die getroffene Entscheidung verstehen
Ich habe zum Beispiel viel darüber nachgedacht, warum ich entschieden haben, Mucki einschläfern zu lassen. Sehr geholfen hat mir dabei das Schreiben einer Liste mit guten Gründen.
Sei dabei geduldig mit dir. Es kann eine Weile dauern bis der Verstand und das Herz wieder einer Meinung sind.
An die guten Zeiten erinnern
Es kann helfen, den Fokus auf das Schöne zu legen, sich an die guten Zeiten zu erinnern, die du mit deinem Liebling hattest.
Gefühle teilen
Auch wenn viele Menschen die Trauer um ein Tier nicht nachvollziehen können, gibt es immer auch jene, die eine große Hilfe sein können. Bei mir war und ist das meine Schwester. Suche Unterstützung bei diesen Freund*innen und Familienmitgliedern oder schließe dich Menschen an, die in der gleichen Situation sind wie du. In meiner Facebook Gruppe „Pfotentrauer“ bist du jederzeit herzliche willkommen!
Achtsam mit sich umgehen
Nimm dir Zeit und Raum, um zu trauern, achte auf deine Bedürfnisse. Gesund essen, ausreichend schlafen und sich regelmäßig bewegen hilft, deine körperliche und geistige Gesundheit zu erhalten.
Etwas Gutes tun
Oft kann es auch helfen, anderen zu helfen. Etwa mit einer Spende an eine Tierhilfsorganisation, die Tierrettung oder andere Vereine, die sich um das Wohl von Tieren kümmern.
Die Schuld von der Seele schreiben
Wie eingangs erwähnt, war für mich das Schreiben der Schlüssel, um Liebe anstelle von Schuld zu fühlen. Schreiben ist eine effektive Möglichkeit, um mit Schuldgefühlen umzugehen und sie zu verarbeiten.
Folgende Impulse können euch helfen, schreibend eure Schuldgefühle aufzulösen:
✍️ Gefühle aufschreiben
Schreib alles auf, was dir in den Sinn kommt, ohne dass du dir Sorgen um Rechtschreibung, Grammatik oder Struktur machst. Lass einfach deine Gedanken und Gefühle fließen, gib ihnen den Raum, den sie brauchen.
🖊️ Ein Brief an dein Seelentier
Schreib einen Brief an dein Seelentier. Schreib auf, was du sagen möchtest und wie du dich fühlst. Das kann dazu beitragen, deine Gedanken zu ordnen und dir helfen, deine Emotionen auszudrücken und bringt dich deinem Seelentier in Liebe näher. Wenn du magst, kannst du deinen Liebling auch um Verzeihung bitten.
📔 Trauertagebuch schreiben
Schon zwei Wochen vor Muckis Tod habe ich begonnen, Trauertagebuch zu schreiben. Das hat mir sehr geholfen. Seitdem schreibe ich jeden Tag ein paar Zeilen – wie es mir geht, wann ich an ihn gedacht habe, wo er besonders gefehlt hat usw. So konnte ich mich immer auch mit meiner Schuld an diesem Tag auseinandersetzen, an dem sie da war. Das hat sie mit der Zeit verschwinden lassen und sie hat der liebevollen Erinnerung Platz gemacht.
Durch das Schreiben kannst du deine Gedanken und Gefühle sortieren und sie besser verstehen. Es hilft dir, eine positive Einstellung zu entwickeln und neue Perspektiven zu gewinnen.
Wenn du das Gefühl hast, dass deine Schuldgefühle zu schwerwiegend sind, ist es wichtig, sich professionelle Hilfe von Therapeut*innen zu holen.
Wenn du körperliche Symptome aufgrund von Schuldgefühlen bemerkst, ist es wichtig, dass du dir Zeit für dich nimmst. Wenn die körperlichen Symptome jedoch anhalten oder sich verschlimmern, ist es ratsam, professionelle Hilfe von Ärzt*innen oder Therapeut*innen in Anspruch zu nehmen, um eine mögliche zugrundeliegende Erkrankung auszuschließen und geeignete Behandlungsoptionen zu finden.
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