Bevor mein japanischer Ahorn im Garten seine Blätter abwirft, leuchten sie in einem wunderschönen, satten Rot, das mich jedes Jahr aufs Neue staunen lässt. Es ist fast so, als wollte er mir einen Schwung Farbe für die kommenden Monate mitgeben. Am Sonntag wurden die Uhren umgestellt. Die Tage werden kürzer und das Licht schwindet. Eine besondere Stille legt sich Stück für Stück über die Landschaft. Ich weiß ja nicht, wie es bei dir ist, aber der November mit seiner Dunkelheit und sinkenden Temperaturen verstärkt bei vielen Menschen das Gefühl der Trauer. Die dunkle Jahreszeit bringt oft jene schmerzhaften Erinnerungen an das geliebte Tier zurück, die im Licht des Sommers nicht so übermächtig wirkten. Doch die Zeit des Rückzugs des Lichts und der Natur ist auch ein Raum für Trauerverarbeitung, Trost und schöne Erinnerungen.
Wenn es früh finster wird …
Im November, wenn die Natur sich zurückzieht und die Farben verblassen, bestimmen oft die grauen Tage die Stimmung. Die Bäume sind kahl, die Blätter verwelkt, und die Tiere bereiten sich auf den Winter vor. Das alles erinnert uns an die Vergänglichkeit und den Kreislauf des Lebens. Früher war das der Beginn jener Zeit des Jahres, in der auch die Menschen zur Ruhe kamen. Auf den Feldern gab es nichts mehr zu tun und das schwindende Tageslicht verkürzte ob des Mangels an Elektrizität die Arbeitszeit. Heute geht es jedoch nicht nur in unvermindertem Tempo weiter, sondern es wird ob der gesellschaftlichen Ansprüche oft noch hektischer. Viele wollen etwas unbedingt „heuer noch“ schaffen und von dir erledigt wissen. Die besinnlichste Zeit im Jahr wurde schon lange zur hektischsten und dann gibt es gefühlt noch hunderte Anforderungen, die man an sich selbst stellt. Dies und jenes gehört ja schließlich dazu und „macht man halt so“.
Das steht in krassem Gegensatz zur inneren Welt von trauernden Menschen. Dort sehnt man sich nach Ruhe und braucht viel Zeit für die eigenen Gefühle. Diese werden um diese Zeit immer öfter von Vermissen, Taurigkeit oder Einsamkeit bestimmt. Oft wiegen die Erinnerungen an schöne gemeinsame Herbstspaziergänge, die Kuschelabende auf dem Sofa, die Wärme, die der Liebling in das Zuhause gebracht hat, und die täglichen kleinen Rituale besonders schwer.
Die dunkle Jahreszeit: Ein Spiegel der inneren Trauer
Die dunkle Jahreszeit wirkt also oft wie ein Spiegel, der unsere inneren Gefühle der Trauer und Einsamkeit verstärkt. Daher hilft es, es der Natur gleich zu tun und dich immer wieder auch zurückzuziehen. Gib dir Raum für deine Trauer und Zeit, um in der Stille deine Emotionen rund um den Tod von deinem geliebten Tier zu verarbeiten. Diese Jahreszeit kann nämlich wertvoll und heilsam sein, wenn wir die Trauer nicht verdrängen, sondern bewusst erleben.
Die dunkle Jahreszeit kann uns die Lücke, die unser Seelentier hinterlassen hat, stärker spüren lassen und die Trauer intensivieren. Das ist schmerzhaft und heilsam zugleich.
Ich glaube, ich habe jenen Satz, der mir in meiner Trauer sehr geholfen hat, an anderer Stelle schon einmal erwähnt. Er lautet: „Es bleibt nicht so“. Das klingt vielleicht banal, aber in diesen vier Worten steckt so unglaublich viel. Bezogen auf das heutige Thema fand ich Trost darin, dass auch die Dunkelheit nur ein Teil des natürlichen Kreislaufs ist. Sie wird irgendwann vergehen und dem Licht des Frühlings Platz machen. Der Schmerz wird der Liebe und Dankbarkeit weichen. Das Vermissen wird abgelöst von einem Gefühl tiefer Verbundenheit, das stärker ist als der Tod.
Das Gute ist auch: du kannst in den kommenden Monaten viel dafür tun, dass das Licht danach umso heller strahlt.
Rituale: Halt durch eigene Traditionen
Der Erinnerungsplatz
In der dunklen Jahreszeit hilft es, Rituale, die die Erinnerung an deinen Liebling lebendig halten und ein Gefühl von Nähe schaffen, besonders zu pflegen. Über die Bedeutung eines Erinnerungsplatzes habe ich ja schon mehrfach geschrieben. Diese individuellen Gedenkorte spielen eine große Bedeutung in der Trauer. Ich war so berührt von euren wunderschön bunt gestalteten Erinnerungsorten zum „Día de Muertos para mascotas“, die ihr in der Pfotentrauer 🐾 Gruppe geteilt habt. Einige von euch haben mir auch persönlich geschrieben, wie verbindend sie dieses Ritual fanden. Es erfüllt mein Herz immer wieder mit Wärme, wie ein bewusst gewählter Ort mit einem Foto, einer Kerze, dem Lieblingsspielzeug oder anderen Erinnerungsstücken helfen kann, dem Gefühl der Leere gestaltend und aktiv zu begegnen.
„Wenn an Winterabenden das Licht früh schwindet, zünde ich eine Kerze an. Ich blicke in die Flamme und sehe darin meine unvergänglichen Liebe zu dir.“
(Unbekannt)
Aus der Trauerforschung wissen wir, wie heilsam ❤️🩹 und stärkend Rituale in der Trauer sind. Darum gibt’s in meinem Buch 📖 „Weil jede Trauer Liebe ist. Dein Begleiter, wenn das geliebte Haustier stirbt“ auch viele Anregungen für deine ganz persönlichen Rituale.
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Raus in die Natur – der „Erinnerungspaziergang“
Wer hier schon länger mitliest, weiß auch über die Bedeutung der Natur, die ich ihr in Zeiten der Trauer zuspreche. Letzte Woche hat ein liebes Gruppenmitglied von Pfotentrauer 🐾 von ihrem „Erinnerungsspaziergang“ erzählt. Mir hat die Bezeichnung so gut gefallen, dass sie ich hier gleich verwenden möchte. Für manche ist der Gedanke an solche Spaziergänge vielleicht schmerzhaft, denn sie konfrontieren uns mit dem Verlust und all dem, was nun fehlt. Doch wenn du dich darauf einlässt, kann dieser Spaziergang zu einer ganz besonderen Art der Nähe und Verbundenheit führen.
Selbst wenn dein Liebling dich nicht begleitet hat, etwa weil dein Stubentiger daheim auf dem Sofa geschlafen hat, kannst du folgendes gerne auch probieren.
🚶♀️ Beginne deinen Spaziergang bewusst und langsam.
🫁 Atme tief ein und aus, spüre den Boden unter deinen Füßen und stell dir vor, dass dein Seelentier an deiner Seite geht. Wenn es dir hilft, schließe dazu kurz die Augen.
💓 Lass vertrauten, verbindende Gefühle und Erinnerungen an gemeinsame Momente zu, aber ohne Druck – gib dem, was kommt, einfach Raum.
🪶 Sobald du einen ruhigen Moment gefunden hast, beginne die Umgebung genauer zu betrachten. Vielleicht entdeckst du ein kleines Fundstück am Wegesrand – einen besonders geformten Stein, eine Feder oder eine kleine Tannenzapfen. Diese Fundstücke können dir helfen, eine Verbindung zu deinem Tier und zur Natur zu spüren, und dir als Symbol dienen, das du später an deinen Erinnerungsplatz legen kannst.
Der Erinnerungsspaziergang ist nicht nur eine Möglichkeit, in Bewegung zu bleiben und frische Luft zu tanken. Er ist auch eine Einladung, neue Verbindungen zur Natur und zu deinem Liebling zu spüren.
Rückzug in die Stille
Wir alle wissen: Die Trauer um ein geliebtes Tier ist genauso tief wie die Trauer um einen menschlichen Angehörigen, doch oft fehlt das gesellschaftliche Verständnis dafür. Umso wichtiger sind jene Momente des Rückzugs, die uns Raum für unsere Trauer schenken. So erleichtert es Trauernde mitunter auch, dass sie – wenn es draußen stürmt und regnet – nicht den (sozialen) Druck verspüren, „raus zu müssen, um nichts zu versäumen“. Diese Zeit kann also auch als eine Art schützender Raum betrachtet werden, in dem man sich vor der Hektik und den Ablenkungen des Alltags zurückziehen kann. Das unterstützt dich dabei, gut für dein seelisches und körperliches Wohlbefinden zu sorgen. Gerade in der Trauer ist es wichtig, alles auch mal etwas langsamer, im eigenen Tempo angehen zu können.
Oft erzählen mir Trauernde allerdings, dass ihre schmerzhaften Gedanken immer lauter werden, je stiller es um sie wird. Hier hilft es, liebevoll mit dem eigenen Denken umzugehen und bewusst Gedankenräume zu schaffen, die Trost und Kraft spenden.
Ein hilfreicher Tipp ist das „Loslassen in kleinen Schritten“. Statt von dir zu erwarten, dass du dich sofort von schmerzhaften Gedanken befreist, könntest du dir sagen: „Ich lasse diesen Gedanken für einen Moment ruhen.“ Stelle dir vor, du legst den schweren Gedanken auf ein kleines Floß und lässt es auf einem ruhigen See sanft davon treiben, nur für eine Weile. Dieses gedankliche „Ruhen lassen“ gibt dir Raum für andere, tröstlichere Gedanken und hilft dir, in der Stille innere Ruhe zu finden – ohne dass du etwas verdrängen musst. Denn das wollen wir auf keinen Fall.
„In der Stille findest du die Ruhe, in der Ruhe findest du die Kraft, und die Kraft findest du im Herzen.“
Gabriele Kurz
Die heilsame Macht der Worte
In dieser Zeit des Rückzugs finden Trauernde oft auch mehr Zeit und Muße, um zu Stift und Papier zu greifen. Ich werde nicht müde, zu wiederholen, wie unglaublich heilsam Schreiben in der Trauer ist. Es war auch für mich einer der wichtigsten Schlüssel.
Ich möchte dir daher diesen kleinen, einfachen und dabei so wirkungsvollen Schreibimpuls ans Herz legen.
Du brauchst dafür nur:
🛋️ einen gemütlichen Ort
⏰ 15 Minuten Zeit
📝 Stift und Papier
Tagebuch der Lieblingsmomente deines Seelentieres
Stelle dir vor, dein Tier hinterlässt DIR ein kleines Tagebuch mit euren gemeinsamen Lieblingsmomenten.
😌 Schließe kurz die Augen, um dich mit deinem Liebling verbinden.
✍️ Wenn du das Gefühl hast, ihn nahe bei dir zu spüren öffne die Augen und schreibe einen Eintrag aus der Sicht deines Seelentieres, der einen besonders schönen oder bedeutenden Moment festhält. Erzähle, warum dieser Augenblick so besonders war – vielleicht ein spezieller gemeinsamer Spaziergang, ein gemütlicher Kuschelabend auf der Couch oder eine lustige Spielszene.
Durch das Schreiben aus der Perspektive deines Lieblings schaffst du eine neue, euch noch mehr verbindende Sicht auf eure gemeinsamen Erlebnisse.
Diesen Schreibimpuls kannst du immer wieder wiederholen und so entsteht mit der Zeit ein eigenes Tagebuch der Erinnerungen aus Sicht deines Seelentieres.
Vielleicht magst du es mit Fotos eurer gemeinsame Zeit ergänzen.
Du siehst, die dunkle Jahreszeit, mit all ihren melancholischen Facetten, bietet auch eine wertvolle Gelegenheit, dich der Trauer zu stellen und den Verlust zu verarbeiten.
Alles Liebe 🫶
Claudia
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