Wochen nachdem Mucki gestorben war, stand es immer noch da: sein Katzenkistl. In den mehr als sechzehn gemeinsamen Jahren habe ich es es wohl tausende Male geleert, geputzt und neu gefüllt. Und das, obwohl er Freigänger war. Wenn er es benutzte, war das ein Ritual. Zuerst mal daran schnofeln ob es den Ansprüchen genügt und das Personal sauber gearbeitet hatte. Wenn es genehm war, wurde es mit einem elegantem Schwung seines Fellpopos betreten. Nie sprang er einfach so hinein, er beschritt es majestätisch. Weniger erhaben und elegant war, was darauf folgte. Oft minutenlang wurde das Streu energisch von vorne nach hinten, von links nach rechts und wieder retour gepfötelt. Welchem Gesetz dieses Ritual folgte, habe ich bis zuletzt nicht herausgefunden. Aber irgendwie war es plötzlich passend für seinen Toilettgang, bevor dann wieder energisch Streu umsortiert wurde. Katzenmenschen wissen ein Lied davon zu singen, wie saharaähnlich es rund um das Kistl danach ausgesehen hat.
Die Geschichten hinter den Dingen
Ihr fragt euch vielleicht, warum ich Muckis Gewohnheiten hier so indiskret wie ausführlich beschreibe? (Ich sehe seinen konsternierten Blick übrigens gerade vor mir.) Weil jedes Ding, das wir mit unseren Lieblingen verbinden, so viel mehr als ein Ding ist. Es ist eine Geschichte, eine Erinnerung. Doch wie nun umgehen mit diesen Dingen und ihren Erinnerungen? Für manche Menschen ist relativ schnell klar: ich muss das wegräumen, es schmerzt mich zu sehr. Fast beneide ich diese Menschen ein bisschen um ihre Klarheit. Mich hat das Thema „wegräumen oder nicht“ sehr lange beschäftigt und ich bin mit dem Prozess noch nicht am Ende. Doch mittlerweile weiß ich, was mir beim Entscheiden hilft und das möchte ich euch gerne erzählen, vielleicht ist es ja auch hilfreich für euch.
„Lerne von der Geschwindigkeit der Natur: Ihr Geheimnis ist Geduld.“
Ralph Waldo Emerson
Der Weg der kleinen Schritte
Lass dir Zeit
Wenn du, so wie ich, zu jenen Menschen gehörst, die sich schwertun, Dinge loszulassen, lass dir Zeit mit der Entscheidung. Es gibt keinen Grund, dich selbst unter Druck zu setzen und es ist völlig egal, was andere dazu sagen oder darüber denken. Du und deine Gefühle sind das einzige, das zählt.
Babysteps
Es ist nicht notwendig, dass du dich zwischen „entweder“ und „oder“ entscheidest. Es kann hilfreich sein, sich in Etappen von Dingen zu trennen. Du kannst Raum für Raum entscheiden, nach dem Gesichtspunkt der Schmerzhaftigkeit oder vielleicht ob du mit manchen Dingen deines Lieblings anderen helfen kannst. Ich habe noch am Tag bevor ich ihm über die Regenbogenbrücke helfen musste, alle seine Medikamente entsorgt. Ich wusste, er würde sie nicht mehr brauchen und mich erinnerten sie nur an seinen Schmerz. Sein Futter habe ich – bis auf eine Packung Knuspertaschen und ein paar Schleckis – nach einer Woche dem Tierheim gespendet. Dann konnte ich mich lange von nichts mehr trennen.
Wegräumen heißt nicht wegwerfen
Als sich abgezeichnet hat, dass Mucki diese Welt bald verlassen würde, habe ich mir eine wunderschöne, sonnig-gelb leuchtende Schachtel gekauft. In diese lege ich immer wieder eine Kleinigkeit, die ich behalten möchte, deren Anblick mich aber zu sehr schmerzt oder die zu kostbar ist, um im Alltag plötzlich zu verschwinden. Darin finden sich zB sein heiß geliebtes Baldriankissen und ein Stück vom letzten Christbaum – er hat jedes Jahr zu Weihnachten unter dem Christbaum gewohnt, so sehr hat er es geliebt, unter den Zweigen zu schlafen.
Tut es noch weh?
Manchmal macht es Sinn, auszuprobieren und zu sehen, wie du dich damit fühlst, Gegenstände wegzuräumen. Es gibt kein „richtig“ oder „falsch“ in dieser Entscheidung und es ist normal, wenn du dich unsicher fühlst. Ich habe immer wieder einmal einige Gegenstände von Mucki entfernt und sie an einem sicheren Ort aufbewahrt und in mich hineingespürt.
Probier es aus und beobachte, wie du dich damit fühlst. Es ist gut so: Wenn es sich neutral oder besser für dich anfühlt ohne die Gegenstände, kannst du sie wegräumen oder weggeben. Es tut noch weh: Es ist in Ordnung, deine Entscheidung wieder zu ändern. Wenn du merkst, dass du einen oder mehrere Gegenstände vermisst, oder du die Entscheidung bereust, kannst du alle oder manche Dinge wieder an ihren Platz stellen. Letztendlich geht es darum, was für dich persönlich am besten funktioniert und was dir dabei hilft, mit dem Verlust deines Tieres umzugehen. Lass dir Zeit, um deine Gefühle zu verarbeiten und zu entscheiden, was dir wichtig ist. Es gibt kein richtig oder falsch.
Erinnerungen kreativ gestalten
Es kann helfen, Erinnerungsstücke in Kreatives zu verwandeln und so die dahinterstehende Geschichte liebevoll zu verewigen. Vielleicht magst du einen dieser Impulse demnächst mal ausprobieren:
🐾 Schreib deine Erinnerungen zu einem Gegenstand auf
🐾 Schreib eine Geschichte über etwas, das typisch für dein Seelentier war
🐾 Gestalte eine Collage aus dem Spielzeug deines Lieblings
🐾 Bepflanze den Futternapf mit deinen Lieblingsblumen
🐾 Schreib ein Gedicht über den liebsten Gegenstand deines Tieres
So kannst du einen Weg finden, deine Erinnerungen auch abseits der Gegenstände im Alltag lebendig zu halten. Der kreative Umgang mit Erinnerungen hilft dir zudem dabei, neue Bahnungen in deinem Gehirn zu schaffen und und positive Veränderungen im Denken und Verhalten zu fördern. Das kann dir helfen, deinen schmerzlichen Verlust zu bewältigen, eine neue Verbindung zu deinem Liebling aufzubauen und ein erfülltes Leben weiterzuführen.
In meiner Facebook-Gruppe „Pfotentrauer“ findet ihr übrigens immer wieder kleine Impulse zum Umgang mit eurer Trauer und den alltäglichen Herausforderungen.
0 Kommentare