Letzte Woche zeigte mein Papa plötzlich Symptome, die auf einen Schlaganfall hindeuteten. Während die Ärzt*innen im Spital diesen Verdacht glücklicherweise ausschließen konnten, stellte sich heraus, dass er eine vorübergehende globale Amnesie erlebte. Für einige Stunden war er wie aus der Zeit gefallen. Er konnte sich weder daran erinnern, was er kurz zuvor getan hatte, noch neue Erinnerungen schaffen. Seine Gedanken waren gefangen in einem ständigen Jetzt, das ihm immer wieder entglitt. Alle Momente, die er während dieser Episode erlebte, konnten sich nicht in seinem Gedächtnis verankern. Es war, als ob das Leben durch ihn hindurchfloss, ohne Spuren zu hinterlassen. Die Zeit dieser für ihn unwiederbringlich verlorenen Stunden war ein großer Schreck für mich. Sie hat mich aber auch wieder einmal eindrücklich daran erinnert, wie wichtig es ist, die Momente, die uns das Leben schenkt, bewusst zu genießen. Das vermag nicht nur unsere Zeit hier auf Erden schöner zu machen, sondern hilft uns auch in der Trauer.

Bewusster leben – gegen die Ablenkung

Wir alle lassen uns zu oft von Dingen ablenken, die letztlich keine große Bedeutung haben. Das Handy vibriert, der nächste Termin drängt, und wir hetzen durch den Tag. Dabei schenken wir den wirklich wichtigen Dingen – jenen, die wir lieben, und den Augenblicken, die unser Herz berühren – oft zu wenig Aufmerksamkeit.

Doch was bedeutet es eigentlich, bewusst im Moment zu leben? Es geht darum, sich voll und ganz auf das Hier und Jetzt einzulassen, ohne sich von äußeren Reizen oder inneren Gedankenspiralen ablenken zu lassen. 

Die Welt um uns herum ist hektisch, aber wir haben die Wahl, innezuhalten und bewusst wahrzunehmen, was uns wirklich wichtig ist.

Momente der Achtsamkeit sind nicht nur erholsam, sie ermöglichen es uns auch, intensiver zu leben. Jede Begegnung, jedes Gespräch, jede Minute mit unserem geliebten Tier wird bedeutungsvoller, wenn wir uns ihr mit vollem Herzen widmen.

Die Erfahrung mit meinem Papa hat mir einmal mehr gezeigt, wie entscheidend es ist, im Augenblick wirklich „da“ zu sein. Erinnerungen entstehen jetzt. Und wenn wir den Moment verpassen, verlieren wir nicht nur die Freude daran, sondern auch die Chance, etwas Bleibendes zu schaffen. 

Bewusst im Moment zu leben bedeutet, den Wert eines Augenblicks zu erkennen.

Die Zerbrechlichkeit von Erinnerungen

Die vorübergehende globale Amnesie meines Papas hat mir auf eindringliche Weise vor Augen geführt, wie flüchtig das Gedächtnis sein kann. Während diese Art von Amnesie das Langzeitgedächtnis unberührt lässt, verhindert sie, dass neue Erinnerungen entstehen. Alles, was in dieser Zeit geschieht, bleibt für immer verloren. Es ist, als ob man versucht, Wasser mit den Händen festzuhalten.

Diese Erfahrung, was es heißt, wenn Stunden spurlos aus dem Gedächtnis gelöscht werden, hat mir erneut gezeigt, wie wichtig es ist, das, was wir erleben, ganz im Hier und Jetzt wahrzunehmen und als kostbare Erinnerung festzuhalten. In meinem Buch „Weil jede Trauer Liebe ist“ setze ich mich immer wieder auch genau damit auseinander: Wie können wir Erinnerungen lebendig bewahren? Und wie gelingt es, sie so zu gestalten, dass sie uns auch in schwierigen Zeiten tragen?

Hier findest du alle Informationen zum Buch inkl. Leseprobe. 📖 💓

Schreiben als Anker im Leben

Ein wichtiger Schlüssel ist das Schreiben über Momente und Erinnerungen – vor allem in der Trauer Es hat für mich schon immer eine große Rolle gespielt, und diese Episode mit meinem Papa hat mir noch einmal gezeigt, wie kostbar es ist, Erlebnisse, Gedanken und ja, auch Gefühle aufzuschreiben. Zu schreiben ist eine Möglichkeit, die Zeit festzuhalten, die uns vielleicht irgendwann entgleitet.

Schreiben bewahrt nicht nur Erinnerungen, sondern schenkt ihnen auch neue Lebendigkeit.

Es braucht dafür auch keine besonderen Talente – jeder kann schreiben. Es geht nicht darum, ein literarisches Meisterwerk zu schaffen, sondern vielmehr darum, eine Schatzkiste voller unbezahlbarer und einzigartiger Momente zu schaffen. Schon ein paar Minuten am Tag reichen aus. Diese einfache Gewohnheit schafft nicht nur bleibende Erinnerungen, sondern kann auch unser Gefühlsleben positiv beeinflussen: Schreiben hilft, Klarheit zu gewinnen, Stress abzubauen, uns selbst besser zu kennen und zu verstehen sowie herauszufinden, was wir wirklich für ein glückliches Leben brauchen. 

Gerade in Zeiten der Trauer ist das Schreiben besonders wertvoll. Es bietet einen geschützten Raum, um Gefühle zuzulassen, die im Alltag oft keinen Platz finden. Erinnerungen an deinen Liebling festzuhalten, spendet Trost und schlägt eine Brücke zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart. Es hilft uns, die Verbindung zu bewahren und gleichzeitig den Schmerz in Worte zu fassen – Worte, die uns so wunderbare entlasten können. Das Schreiben wird so zum inneren Anker, der uns Stabilität gibt, während du lernst, mit deinem schmerzvollen Verlust umzugehen. 

Schreiben unterstützt uns dabei, unser gebrochenes Herz zu heilen und erinnert uns daran, dass selbst in der tiefsten Trauer mit jedem Wort und jeder Zeile ein Stück Schönheit und Liebe bewahrt werden kann.

Besonders wertvoll, um all die schönen Momente mit deinem Liebling lebendig zu halten, ist die Erinnerungsspirale.

Die Erinnerungsspirale

Die Erinnerungsspirale ist unglaublich einfach und dabei so wirkungsvoll, um Erinnerungen in ihren bunt schillernden Farben zu bewahren.

⏰ Schau, dass du zumindest 15 Minuten ungestört bist

🛋️ Mach es dir gemütlich

📝 Leg dir Stift und Papier bereit

🫁 Schließe kurz die Augen und atme drei Mal tief ein und aus, um im Moment anzukommen

🌀Finde einen Ausgangspunkt: Denke an einen Moment bzw. eine Situation, der dir viel bedeutet. Es spielt keine Rolle wie groß oder klein er ist. Es kann ein kleines Detail sein, wie das Gefühl der Pfoten zwischen deinen Fingern, ein freudiges Schwanzwedeln oder wohliges Schnurren. Schreibe diesen Ausgangspunkt auf.

✍️ Frage dich dann: Was fällt mir dazu noch ein? Schreibe alles auf, was dir in den Sinn kommt – Farben, Geräusche, Gerüche, Gefühle oder Gedanken. Lasse den Moment neu erblühen.

🎥 Erweitere die Perspektive: Stelle dir nun vor, du siehst die Szene wie in einem Film. Was passiert drumherum? Was hast du damals vielleicht nicht bewusst wahrgenommen, das dir jetzt in der Erinnerung daran auffällt? Schreibe weitere Details auf.

💓 Verbinde Emotionen: Überlege, welche Gefühle dieser Moment in dir ausgelöst hat oder immer noch auslöst. Gab es Freude, Trauer, Überraschung oder Liebe? Beschreibe sie so genau wie möglich.

💫 Schließe mit einem Gedanken ab: Schreibe zum Abschluss ein, zwei Sätze, warum diese Erinnerung dir so wichtig ist.

Beginne mit den Worten: „Diese Erinnerung ist so kostbar …“ 

Diese Erinnerungsspirale hilft dir in der Trauer dabei, nicht nur die Fakten von Erinnerungen an kostbare Momente zu erfassen, sondern auch die Gefühle und Details, die sie so besonders machen. Sie schenkt dir einen Weg, die Liebe des Moments immer wieder zu erleben – und ihn festzuhalten, damit er nicht verloren geht.

Alles Liebe 🫶

Claudia 

PS.: Mehr über die heilsame Kraft des Schreibens über Momente und Erinnerungen in der Trauer findest du hier.