„Ich halte diese Trauer und diesen Schmerz einfach nicht mehr aus!“ schluchzte vorletzte Woche eine Bekannte ins Telefon. „Seit Monaten ist für mich jedes noch so kleine Ding eine kaum schaffbare Aufgabe. Alleine in der Früh aufzustehen, kostet mich all meine Kraft. Und allen ist es egal, dass mein geliebter Nepomuk gestorben ist. Er war so viel mehr als nur ein Tier, aber wem erzähle ich das. Hilf mir bitte!“
So habe ich sie zu Kaffee und Kuchen zu mir nach Hause eingeladen. Sie hat mir ihr Herz ausgeschüttet und ich habe einfach nur zugehört, ihr die Möglichkeit gegeben, ihrer Trauer und ihrem Schmerz Raum zu schenken. Irgendwann fragte sie mich: „Und was soll ich jetzt tun? Ich will nicht ewig in diesem Schmerz gefangen sein.“
Wenn auch du dich von Schmerz und Trauer überwältigt fühlst, scheint es dir wahrscheinlich ebenfalls oft so, als wäre kein Ende in Sicht.
Die gute Nachricht ist: Niemand ist dazu verdammt, auf ewig in diesem Zustand zu verharren.
Wer hier schon länger mitliest, weiß: es gibt keine Checkliste, keinen Weg, der für alle Trauernden der passende ist. Jede Trauer ist so individuell, wie es die gemeinsame Geschichte mit dem Seelentier war – und so ist auch jeder Weg.
Was es aber gibt, sind erprobte und erwiesener Maßen hilfreiche Zugänge und Methoden, die dir helfen, den dunklen, kalten Keller des Schmerzes zu verlassen und wieder in der Sonne und Wärme des Lebens anzukommen.
Der erste Schritt aus der Trauer: Nimm deinen Schmerz an
Eine der größten und schlecht heilendsten Wunden bei diesem tiefem emotionalen Schmerz ist das Gefühl, festzustecken. Meine Bekannte hat das so beschrieben, als müsste sie Tag für Tag versuchen, sich aus tiefem Treibsand zu kämpfen – und zwar mit zusammengebundenen Beinen. Ich finde, das ist ein treffendes Bild für die gefühlte Ausweglosigkeit und die Anstrengung.
Der erste Schritt ist, zu erkennen, dass dein seelischer – und mitunter auch körperlicher – Schmerz eine natürliche Reaktion auf deinen schweren Verlust ist. An ihm nichts falsch, egal was andere darüber denken oder gar sagen – und er wird dich einige Zeit begleiten. Daran gibt es nichts zu beschönigen oder kleinzureden.
Mit dem Schmerz in Widerstand zu gehen, heißt, ihn zu einem Kräftemessen einzuladen.
Je mehr du versuchst, den Schmerz beiseite zu schieben, ihn zu verdrängen oder dich von ihm abzulenken, desto länger hält er dich gefangen. Das Wesen des Schmerzes ist es, dass er gesehen werden will. Er will Aufmerksamkeit, Zuwendung und ja, Liebe. In dieser Phase gilt es also, den Schmerz an die Hand zu nehmen.
Der zweite Schritt aus der Trauer: Erkenne, dass du dem Schmerz nicht hilflos ausgeliefert bist
Doch der Schmerz muss nicht dein lebenslanger Begleiter sein. Zu akzeptieren, dass der Schmerz existiert, ohne ihm die Kontrolle über dein Leben zu überlassen, ist entscheidend. Das ermöglicht es dir, aktiv mit und an deinem Schmerz zu arbeiten, anstatt dich ihm vollkommen auszuliefern.
Nicht umsonst heißt es „Trauerarbeit“. „Und wo bitte nehme ich die Kraft dafür her?“ fragte meine Bekannte erschöpft an dieser Stelle. „Aus allem, was dir guttut und was du liebst“, war meine Antwort, denn auch hier gibt es kein Rezept, das für jeden passt. Das Wichtigste ist:
Höre auf dein Herz, deinen Seele und deinen Körper. Sie wissen meist viel mehr, als wir denken.
Im Artikel „Nein“ ist ein ganzer Satz: Grenzen setzen in der Trauer gehe auf dieses Thema näher ein, daher an dieser Stelle nur ein paar Sätze dazu:
Regelmäßige Bewegung, sei es durch Sport, Tanzen oder auch Spaziergänge in der Natur, hilft, Stresshormone abzubauen und die Produktion von Endorphinen zu steigern, was deine Stimmung verbessert. Der unmittelbare Nutzen ist spürbar: Du fühlst dich energiegeladener und hast weniger Raum für Grübeleien. Deine Gefühle durch Kunst, Musik oder Schreiben auszudrücken ist ein weiterer konkreter Ansatz, um den Schmerz zu verarbeiten. Diese Aktivitäten bieten weniger eine Ablenkung, sondern helfen vielmehr, deinem Schmerz Raum zu geben, ihn zu verstehen und herauszufinden, was er braucht, um leiser, stiller ufür alles nd sanfter zu werden. Achtsamkeitsbasierte Praktiken wie Meditation und Yoga fördern zudem deine Fähigkeit, im Moment zu leben und nicht von vergangenen Ereignissen oder zukünftigen Sorgen überwältigt zu werden. Ganz im Moment zu sein, ist übrigens etwas, das unsere Lieblinge uns all die Jahre über vorgelebt haben und mit das kostbarste Geschenk, das sie uns gemacht haben – wenn wir es denn annehmen.
Der dritte Schritt aus der Trauer: Der Plan für deine Zukunft
„Einen Plan machen? Willst du mich vera***?“ entrutsche es meiner Bekannten und sie verschluckte sich fast an ihrem Kaffee. Ob ihrer Reaktion war ich beim Schreiben dieses Artikels fast versucht, es anders zu nennen, aber ich habe kein Wort gefunden, das es besser treffen würde, was ich meine. Eine „Idee“ ist zu unverbindlich, ein „Modell“ zu theoretisch, eine „Vision“ oft abschreckend groß. Vielleicht kommt ihr Unmut ja von ihrem Vertriebs-Job, in dem sie ständig für alles – und oft auch nichts – einen Plan schreiben muss, und dir stößt das Wort nicht so sauer auf wie ihr.
„Egal, wie sehr dein Herz weint, wenn du nach vorne schaust, wird sich die Sonne zeigen.“
Der König der Löwen
Mit diesem Zitat ist das Wichtigste am Planen auch schon gesagt: Es lädt uns dazu ein, nach vorne zu blicken. Was es dann noch braucht, sind kleine, realistische und für dich schaffbare Ziele. Diese sind wie kleine Wegweiser auf deiner Trauerreise. Ein paar Beispiele gefällig? Gerne!
Meine Wegweiser
⭐️ Morgen gönne ich mir: Plane tägliche oder wöchentliche Aktivitäten, die dir Freude machen
💫 Mein Alltag: Mach dich auf die Suche nach Tätigkeiten, die dir ein Gefühl der Normalität vermitteln und dir so eine Auszeit von deiner Trauer schenken
🌟 Meine Tage brauchen: welche neue Struktur brauchst du, um die schmerzhafte Leere wieder zu füllen?
⭐️ Das wollte ich immer schon einmal ausprobieren: Schreibe eine Liste an neuen Fähigkeiten, Erlebnisse und Endeckungen und plane jeden Monat etwas davon ein
Langfristig könnten diese Ziele auch größere Vorhaben umfassen, wie eine Reise, deine Wohnung zu renovieren oder ein Projekt zu starten das dir am Herzen liegt – genau so ist übrigens Pfotentrauer entstanden.
Indem du aus kleinen und größeren Punkten einen Plan machst, verschiebst du den Fokus von der Vergangenheit und dem Schmerz hin zu einer Zukunft, in der du wieder gerne und voller Freue lebst. Ganz nebenbei fördert das auch das Gefühl, wieder Kontrolle über dein Leben zu haben, etwas das dir inneren Frieden und Sicherheit schenkt.
Am Ende unseres Gesprächs und als ich ihr vorgeschlagen habe, all das als ihren ganz persönlichen Reiseplan aus ihrer Trauer und ihrem Schmerz um ihr Seelentier zu sehen, wollte dann auch meine Bekannte ihn machen. Also habe ich ihr Stift und Papier über den Tisch geschoben und wir haben gleich damit anfangen.
Folgender Schreibimpuls hilft auch dir, deinen Reiseplan raus aus dem Schmerz zu beginnen.
⏰ Schau, dass du zumindest 20 Minuten ungestört bist.
🦵 Stell dich aufrecht hin und atme drei Mal tief ein und aus.
🦶 Spüre den Boden unter deinen Füßen, verankere dich gut mit der Erde unter dir. Atme wieder drei Mal tief ein und aus.
🙆♀️ Strecke beide Arme nach oben, als ob du nach den Sternen oder in die Wolken greifen möchtest. Atme erneut drei mal tief ein und aus.
Spüre den sicheren Boden unter dir und denke an die Freiheit über dir. Dann setz dich und greif zu Stift und Papier.
⚓️ Mein täglicher Anker
Auf jeder Reise brauchen wir auch Ankerplätze und die darfst du dir jetzt suchen.
Schreibe drei kleine Rituale oder Aktivitäten auf, die dir Trost und Stuktur geben können und warum sie dir helfen, den Tag zu bewältigen.
Es geht um Kleinigkeiten, wie zum Beispiel in der Früh noch vor allem anderen dein Lieblingslied zu hören, weil es mir Energie schenkt.
🗓️ Meine Zeit mit mir
Nimm nun deinen Kalender zur Hand und trage dir jeden Tag 10 Minuten nur für dich und deine Gefühle ein. Das muss nicht immer die gleiche Uhrzeit sein, schau einfach, wann es dir gut möglich ist.
Widme mich in diesen 10 Minuten ganz bewusst dir und deinen Gefühlen, gib ihnen Raum. Am besten funktioniert das, wenn du sie in einem Tagebuch festhältst. Mache nach diesen 10 Minuten dann bewusst etwas, das nichts mit deiner Trauer und deinem Schmerz zu tun hat.
Sei dir selbst wichtig und verschiede maximal zwei Termine pro Woche mit dir. Plane auch gleich den Tag ein, in dem du deinen Plan für die nächste Woche machst.
🔭 Meine Zukunft
Nimm nun nochmal das Papier zur Hand und stell dir vor, wie du dich in einigen Monaten fühlen möchtest, wenn der Schmerz weniger geworden ist. Schreibe ein paar Zeilen über deine Hoffnungen und Träume, die dich motivieren, den Schmerz hinter dir zu lassen.
Wiederhole diesen kurzen Schreibimpuls immer wieder!
Wenn Schmerz und Trauer um dein Seelentier übermächtig werden: Scheue dich nicht, um Hilfe zu bitten
Viele Menschen zögern, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sie sehen es als Zeichen von Schwäche oder glauben, dass sie es alleine schaffen müssen. Doch Therapeut*innen, Coaches und Trauergruppen- wie etwa meine geschlossene Facebook-Gruppe Pfotentrauer 🐾 bieten nicht nur Unterstützung, sondern helfen dir, den Schmerz zu bewältigen.
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